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Schluss mit dem "Diversitywashing"

27.03.2021

Eine Kolumne von Leo Casper

Dass das Theater als künstlerische Produktionsstätte in der Regel verschwenderisch mit Ressourcen umgeht und alles andere als ein nachhaltiger Akteur ist, ist kein Geheimnis. Zumindest wird von ihnen aber auch nicht das Gegenteil behauptet. Anders sieht es da bei vielen Wirtschaftsunternehmen aus, die eine zielgenaue PR-Strategie verfolgen, um sich unter anderem mittels öffentlichkeitswirksamer Kampagnen in ein "grünes Licht" zu stellen und den Eindruck zu vermitteln, sie seien besonders umweltfreundlich und verantwortungsbewusst. Diese Methodik wird als Greenwashing bezeichnet.
Da stellt sich die Frage: Gibt es auch so etwas wie "Diversitywashing"?

Nach dem Rassismus-Skandal am Düsseldorfer Schauspielhaus, den der Schwarze Schauspieler Ron Iyamu in der vergangenen Woche im WDR öffentlich gemacht hat, offenbaren sich der Öffentlichkeit strukturelle Probleme, die einen nicht alltäglichen Einblick in das Innere des Theaterapparats freigeben. Nicht zuletzt nachdem sich weitere Betroffene und ehemalige Mitarbeiter*innen des Hauses öffentlich geäußert haben, lässt sich ein ganzes Netz von Problemen, unter anderem Sexismus und problematische Machtstrukturen, vermuten. Dabei sind interne Vorfälle bekannt und Vorwürfe an Regisseure und die Leitungsebene artikuliert worden, wie es sie seit dem Beginn der Intendanz von Wilfried Schulz 2016 nie zuvor gegeben hat.

Schließlich agiert das Schauspielhaus "auf den Straßen Düsseldorfs und des Internets" mittels Statements, Aufrufen und Aktionen stets in vorderster Front, wenn es um wichtige Tage, wie den Weltfrauentag oder den Internationalen Tag gegen Rassismus geht. Das ist sicherlich ein Grund dafür, warum sich vor allem Stadtgesellschaft und Stammpublikum so schockiert und verwundert zeigen. Und das ist ja auch wenig überraschend: Schließlich handelt es sich bei den benannten Vorfällen und Erfahrungsberichten um interne Probleme, die sich hinter den Fassaden des Theaters ereigneten.

Dennoch kann man sich dem Vorwurf nicht entziehen, dass gewisse strukturelle Probleme am Schauspielhaus auch von außen zu identifizieren gewesen wären. Ein guter Indikator dafür ist beispielsweise die Verteilung von Männern und Frauen in den Produktionsteams: Trotz der Corona-Pandemie und der seit November geschlossenen Türen am Düsseldorfer Schauspielhaus haben in dieser Spielzeit elf Produktionen Premiere vor Publikum gefeiert. Davon wurde aber mit "Hyperreal" von Costanza Macras nur eine Produktion von einer Autorin und Regisseurin geschrieben bzw. inszeniert. Alle anderen zehn Produktionen haben einen Autor und einen Regisseur. Wie kann das sein? Blickt man auf die neun Produktionen, die derzeit vorbereitet und nach der Wiedereröffnung gezeigt werden sollen, ist das vermittelte Bild nur geringfügig rosiger: Bei diesen neun Produktionen finden sich nur drei Autorinnen und drei Regisseurinnen. Schaut man sich dann noch das Ensemble und die festen Gäste am Düsseldorfer Schauspielhaus an, blickt der*die Betrachter*in auf insgesamt 37 Schauspieler*innen-Porträts, von denen lediglich zwei Ensemblemitglieder aus objektiver Perspektive als Nicht-Weiß auszumachen sind.

Aber offenbar ist dieser Sachverhalt für die Leitungsebene keine neue Erkenntnis, denn die Defizite in puncto Diversität scheinen der Theaterleitung hinreichend bekannt zu sein. In einem schriftlichen Interview von Mittwochabend, das youpod.de mit der Theaterleitung geführt hat, werden diese bereits konkret benannt: "Bei Regisseurinnen und Regisseuren sowie im Ensemble müssen wir im Gesamthaus noch diverser werden." Stellt sich die Frage: Warum wurde dieses Ziel bislang nicht akribischer verfolgt?

Die Aufgabe der Diversitätsentwicklung ist nicht damit getan, dass ein Diversitätsbeauftragter eingestellt wird und Sonderformate wie das Café Eden oder das Schwarze Unterhaus veranstaltet werden. Man könnte das in diesem Zusammenhang, in Anlehnung an das eingangs erwähnte Greenwashing, als eine Art "Diversitywashing" bezeichnen: Das Theater soll unter anderem durch solche "Nebenveranstaltungen im Theaterkeller" in ein "buntes" Licht gerückt werden. Das ist wie, als würde man ein Stück vom Kuchen abbekommen wollen, man stattdessen aber nur einen Keks bekommt. Ja, besser als nichts und der schmeckt ja auch gut, aber man wollte doch eigentlich ein Kuchenstück bekommen …

"Wir brauchen unterschiedliche Perspektiven auf die Gesellschaft. (…) Als Theater der Stadt müssen wir die Stadt in Programm, Personal und Publikum noch besser abbilden", betont die Theaterleitung in ihrer schriftlichen Antwort auf unsere Frage nach der Bedeutung der Diversität für das Düsseldorfer Schauspielhaus. Und dabei kann man dieser Aussage bedingungslos zustimmen. Aber dann fangt jetzt bitte endlich auch mal damit an.

Es wird höchste Zeit. Wir schreiben das Jahr 2021 und das Theater in Düsseldorf gehört längst nicht mehr nur den alten weißen Männern mit dickem Geldbeutel. Zeigt die Vielfalt und die Buntheit unserer Stadtgesellschaft endlich auch auf der Großen Bühne!

von Leo C.

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