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Don Karlos – Schillers Drama im düsteren Blutregen

15.12.2018

Himmel, gib, daß ich es dem vergesse, der sie zu meiner Mutter machte! Ich habe sehr viel Unglück mit meinen Müttern. Meine erste Handlung, als ich das Licht der Welt erblickte, war ein Muttermord. Und meine neue Mutter – hat sie mir nicht meines Vaters Liebe schon gekostet? Mein Vater hat mich kaum geliebt. Mein ganzes Verdienst war noch, sein Einziger zu sein. Sie gab ihm eine Tochter – wer weiß, was in der Zeiten Hintergrunde schlummert? Zu gut weiß ich, daß ich an diesem Hof verrathen bin – ich weiß, daß hundert Augen gedungen sind, mich zu bewachen, weiß, daß König Philipp seinen einz'gen Sohn an seiner Knechte schlechtesten verkaufte und jede von mir aufgefangne Sylbe dem Hinterbringer fürstlicher bezahlt, als er noch keine gute That bezahlte.

Don Karlos ist verzweifelt. Er ist zwar der kommende Thronfolger Spaniens, doch selber angewidert von der Macht. Sein Vater ist niemand geringeres als König Philipp II, doch das Verhältnis zwischen Vater und Sohn ist kein gutes. König Philipp hat nämlich die eigentlich schon seinem Sohn versprochene Elisabeth von Valois selbst zur Frau genommen, um Spaniens Einfluss in Europa zu festigen. Dadurch ist der Jüngling fortan mit dem Verhängnis gestraft, seine eigene Mutter zu begehren. Der Unglücksrabe weiß nicht mehr weiter. Da kommt es gerade recht, dass sein Jugendfreund, der Marquis von Posa, zurück aus den niederländischen Religionskriegen an den königlichen Hof kehrt. Seine Erfahrungen dort haben ihn zum Idealisten gemacht. Er liebt keinen einzelnen Menschen, sondern den Menschen an sich und will für eine bessere Welt kämpfen. Dafür nutzt er den Zustand Don Karlos' aus und zieht diesen auf seine Seite, um ihn in seine geplante Intrige zu verwickeln. Marquis von Posa hat Großes vor: Er möchte nämlich das System von innen heraus verändern. 

Friedrich Schillers Don Karlos ist ein fünf Akte langes Drama und gehört zu den großen Stoffen der Weltliteratur. Der Regisseur Alexander Eisenach, geboren in Berlin, hat dieses Werk für das Düsseldorfer Schauspielhaus inszeniert. Premiere war am 14. Dezember im Central auf der großen Bühne. Eisenach arbeitete zuletzt 2016 am Düsseldorfer Schauspielhaus und brachte den Science-Fiction-Roman Planet Magnon von Leif Randt zur Uraufführung. Nun also kein zeitgenössisches Stück, sondern ein echter Klassiker, den sich Eisenach vorgenommen hat. Mit seinem acht-köpfigen Ensemble, rund um Publikumsliebling André Kaczmarczyk und Jonas Friedrich Leonhardi als Don Karlos, schafft er einen rund 3 Stunden 45 Minuten langen düsteren Theaterabend bestehend aus zwei völlig unterschiedlichen Hälften, die getrennt durch eine Pause voneinander stehen. 

Zurück an den Anfang: Der Bühnenraum ist komplett angedunkelt. Einzelne Kerzen stehen auf der Bühne. Links ein riesiger metallischer Turm bestehend aus zwei Ebenen mit Leitern. Im Zentrum ein riesiges Metallgerüst mit leichter Steigung und Glasscheiben als Boden. Ganz rechts an der Wand ein riesiges Gemälde auf einem Vorhang bedruckt. Viel daran ändern wird sich in der ersten Hälfte des Abends nicht. Es bleibt düster, teilweise auch neblig. Das Licht versucht sich immer mal wieder seinen Weg zu bahnen, aber richtig hell wird es nie. Die Kostüme im klassischen Renaissance-Look sind ebenso dunkel kreiert worden. Schließlich macht die ebenfalls düstere Musik den Bogen rund. Vieles passt hier gut zusammen an diesem Abend. Der erste Teil des Abends setzt ganz auf den Text und die Dialoge. Bis auf einzelne Stellen mit eingeworfenen Zitaten besteht die Inszenierung fast vollständig aus originalem Schiller-Text, es ist kaum etwas davon gekürzt worden. Das führt bereits in der ersten Hälfte zu einer Erschöpfung der Zuschauer. Es ist anstrengend zu folgen, die Inszenierung besticht nicht bis dahin nicht durch Action auf der Bühne und sich immer erneuernder Bildgewalt. Und dieser Original-Text scheint auch die Schauspielenden stellenweise herauszufordern, denn manchmal fehlt es an Wahrhaftigkeit in den Worten. 

Im zweiten Teil nimmt die Inszenierung dann Fahrt auf. Das metallische Konstrukt wird auseinandergebaut und neu zusammengesetzt. Nun steht der vorher noch so abseitsstehende Turm im Zentrum. Von ihm gehen vier Stege in alle Himmelsrichtungen ab. Die Schauspieler_innen werden extremer in ihren Figuren und es wird auch inhaltlich zunehmend spannender. Es entstehen fortan starke Bilder bis hin zum großen finalen Bildgewitter als hunderte rote kleine Bälle von der Decke auf das Bühnenbild fallen und sich André Kaczmarczyk als Marquis von Posa sein eigenes Blutbad anrichtet. 

Unterm Strich ein Theaterabend, der ein hohes Konzentrations- und Ausdauervolumen einfordert und streckenweise mit Worten überfordert. Doch allein schauspielerisch glänzt diese Inszenierung enorm und es stellt sich ein stimmiges Gesamtbild ein. Wohlwollender und erschöpfter Applaus vom Premierenpublikum. Es ist geschafft!

von Marvin

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