Aus Staub gemacht, im Widerstand geboren
11.05.2025
Es ist Muttertag – ein Tag der Blumen, Frühstückstabletts und sentimentalen Instagram-Posts. Ein Tag, der Mütter feiert und damit das Leben. Doch ausgerechnet an diesem Tag wird im Theater an der Ruhr in Mülheim ein Stück gezeigt, das von Frauen erzählt, deren Leben auf grausame Weise beendet wurden. "Staubfrau" heißt das Werk der Dramatikerin Maria Milisavljević, das keinen Zweifel daran lässt: Gewalt hat ein Geschlecht. Im Auftrag des Schauspielhaus Zürich geschrieben, stellt sich das Stück dem Vergessen entgegen – den Schlagzeilen, die von „Familiendramen“ sprechen, wenn Frauen ermordet werden, nur weil sie Frauen sind. Für diesen Text wurde Milisavljević für den Mülheimer Dramatikpreis nominiert; die Uraufführungsinszenierung von Anna Stiepani ist nun im Rahmen der Theatertage am 11. und 12. Mai zu sehen.
Stiepani bringt eine Inszenierung auf die Bühne, die sich bewusst gegen lineare Erzählstrukturen entscheidet. Statt Handlung: eine Komposition aus poetischer Sprache, aufgeladener Körperlichkeit und visuellen Bildern, die sich zu einem kollektiven Erinnern verdichten. Die drei zentralen Figuren – Großmutter, Mutter und Tochter – werden von Anita Iselin Soubeyrand, Nancy Mensah-Offei und Lola Dockhorn gespielt. Ihre Stimmen überlagern sich, fallen sich ins Wort, widersprechen sich und ergeben doch ein eindrucksvolles Ganzes. Die "Staubfrau" selbst erscheint als Figur zwischen Mythos und Wirklichkeit, als eine Stimme derer, die verstummt wurden – ausgelöscht, aus Akten und Medien verschwunden.
Was "Staubfrau" so eindringlich macht, ist sein Widerstand gegen Vereinfachung. Keine Täterpsychologie, keine Dramatisierung des Grauens, kein kathartischer Trost. Stattdessen: Klarheit. Ein ausgestreckter Arm, der sagt: Schau nicht weg. Besonders eindrucksvoll ist das Stück dort, wo es konkret wird – wo reale Namen genannt werden, wo Schweigen lauter ist als jede Musik. Die Bühne wird zu einem Raum, der eigentlich zu klein ist für all das, was gesagt werden muss.
Für ein junges Publikum ist diese Inszenierung mehr als ein Theaterabend – sie ist ein politisches Statement, eine Einladung zum Mitfühlen und Mitdenken. "Staubfrau" ist wütend, zärtlich, klar – und lange nachwirkend. Dass es am Muttertag gezeigt wird, ist kein Zufall, sondern eine bewusste Entscheidung: Die Wertschätzung von Frauen beginnt nicht bei Blumen, sondern bei Sicherheit, Sichtbarkeit und Gerechtigkeit. Und vielleicht ist das die stärkste Botschaft dieses Stücks: Dass wir reden müssen – solange andere zum Schweigen gebracht werden.
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