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Klaus Barbie – Begegnung mit dem Bösen

19.06.2019

Ich war nie ein fanatischer Antisemit in dem Sinne, wir alle nicht, aber nach dem Kriege bin ich es geworden.

Klaus Barbie war ein mehrfach verurteilter deutscher NS-Kriegsverbrecher, dessen Biografie beispielhaft für die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert steht. Von 1942 bis 1944 war er Chef der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) im französischen Lyon. Bekannt wurde er wegen der Folterung, Deportation und Hinrichtung zahlreicher französischer Juden und Résistance-Mitglieder. Aufgrund seiner Grausamkeit war er als "Schlächter von Lyon" bekannt.

Über 70 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz und dem Ende des Zweiten Weltkriegs gilt es erneut, sich mit den Tätern auseinanderzusetzen. Erst recht, wenn heute die Stimmen der rechtspopulistischen AfD unüberhörbar werden, der Holocaust wieder geleugnet wird und Übergriffe auf einzelne gesellschaftliche Minderheiten stattfinden. Ein guter Zeitpunkt, dachte sich wohl auch das Schauspielhaus unter der Intendanz von Günther Beelitz im Jahr 2016 und lies das preisgekrönte WDR-Hörspiel Klaus Barbie  – Begegnung mit dem Bösen (WDR 5) von Regisseur Leonhard Koppelmann als Stück auf die kleine Bühne des Centrals bringen. Grundlage der Inszenierung waren die Recherchen von Peter F. Müller. Premiere feierte der Solo-Abend mit Andreas Grothgar am 13. Februar 2016. Nach einer Wiederaufnahme des neuen Intendanten Wilfried Schulz im Oktober 2016 wurde das Stück noch über weitere drei Jahre im Repertoire gezeigt, ehe es nun am 19. Juni 2019 Dernière feierte.

Nach dem Krieg floh Barbie über Italien nach Bolivien, wo er als erfolgreicher Geschäftsmann in Bolivien und Peru arbeitete und mit seinem Wissen südamerikanischen Diktatoren bei der skrupellosen Verfolgung von Regimegegnern half. Einige Jahre nach seiner Ankunft nahm er die bolivianische Staatsbürgerschaft an. Erst 1983 wurde Barbie von der peruanischen Regierung nach Frankreich ausgeliefert, wo er vier Jahre später wegen zahlreicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt wurde: Deportation von 843 Menschen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit in 177 Fällen. Er wurde zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt und starb im September 1991 während der Haft in Lyon an Krebs.

Hörspiel- und Theaterregisseur Leonhard Koppelmann setzt auf eine minimalistische Inszenierung und stellt seinen Solo-Darsteller Andreas Grothgar und den Text in den Vordergrund. Das Bühnenbild besteht aus einer schwarzen hohen Wand, die als Tafel mit begleitenden Informationen über Videoprojektionen in Szene gesetzt wird. Das Besondere ist daran, dass Andreas Grothgar als Klaus Barbie den Text mitlesen und so auf das dort projizierte eingehen kann. In der Mitte steht ein fensterloser Würfel mit Lichtröhren an den Seiten. Darin sitzt Klaus Barbie in einem Gerichts-Setting an einem quadratischen hölzernen Tisch auf einem Stuhl im Anzug. Der Abend gleicht mehr einer szenischen Lesung ohne Textbuch, wird aber durch seine harten Blacks, Lichtwechsel und Musikeinspielern inszeniert. Grothgar verkörpert diesen Barbie, der in seinem Prozess, selbst Jahrzehnte nach seinen unfassbaren Taten, weder Reue noch Mitleid mit seinen Opfern zeigt, als harten, autoritären, unsympathischen Soldaten. Der Text zeichnet Barbies Lebensgeschichte nach, dessen Biografie beispielhaft für viele SS-Kommandanten stehen dürfte, die sich keiner Schuld bewusst sind und den übertriebenen Patriotismus durch und durch verkörpern. Geschickt lässt Regisseur Koppelmann den dunklen Charakter Barbies erst nach und nach durchschimmern ehe er unübersehbar über dem Darsteller zu schweben scheint. Die Gefahr, die von solch extremistischen Gedankengut ausgeht, ist spürbar. Der Stolz aufs Vaterland, auf sein eigenes unreflektiertes Verhalten, schockiert und zeigt dem Publikum, wie viel Sorgen man sich über den aktuellen Rechtsruck in unserem Land tatsächlich machen sollte. Großer Applaus für den grandios agierenden Andreas Grothgar und eine Inszenierung, die ganz unverblümt ein gesellschaftliches Thema mitten auf die Bühne setzt. Bitte wieder mehr von solchen Abenden!

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von Marvin

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