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Ein grüner Junge – Ein fulminanter Theater-Marathon im Schauspiel Köln

06.01.2019

Ich bitte Sie jetzt alle ruhig zu bleiben, Ernst zu bewahren. Ich wiederhole, meine Idee ist ein Rothschild zu werden, so reich wie ein Rothschild. Nicht einfach reich, sondern eben wie Rothschild. Und warum, weshalb, welche Ziele ich damit verfolge, davon viel viel später. 

Der 19-jährige Arkadij Dolgorukij hat Großes vor: Er möchte reich wie ein Rothschild werden (Die Familie Rothschild zählte zu den wohlhabendsten und einflussreichsten Menschen jener Zeit) und dann sein gesamtes Vermögen am Ende verschenken. Mit dem Erreichen dieses Zieles will er nicht nur seine gesellschaftliche Isolation (ein geborener Bastard) überwinden, sondern auch die Gunst seines Vaters erringen. Er ist nämlich als unehelicher Sohn eines adeligen Gutsbesitzers und einer Gesindemagd zur Welt gekommen. Also macht er sich auf die Reise nach St. Petersburg, um seinen leiblichen Vater dort aufzusuchen und trifft in seiner Orientierungslosigkeit auf die verschiedensten Leute: Revolutionsanhänger, Spieler, Selbstmörder, Fürsten und Frauen. 

Ein grüner Junge heißt dieser Entwicklungsroman, der 1875 in Russland von Fjodor Dostojewskij geschrieben und veröffentlicht wurde. Fjodor Dostojewskij gilt als einer der bedeutendsten russischen Schriftsteller und hat insgesamt fünf große Romane geschrieben, die weltweit zahlreich inszeniert, verfilmt und vertont worden sind. Ein grüner Junge fällt allerdings aus dieser Reihe heraus. Ihm gilt die wenigste Aufmerksamkeit und er ist bisher auch noch nicht dramatisiert und inszeniert worden. Nun hat sich das Schauspiel Köln diesem Roman angenommen und den Regisseur Frank Castorf mit dieser Arbeit betraut. Dieser hat bereits die anderen vier großen Romane Dostojewskijs auf die Bühne gebracht. Mit Ein grüner Junge hat er nun den letzten der „fünf Elefanten“ am Schauspiel Köln zur Uraufführung gebracht. Entstanden ist ein wahrer Theater-Marathon: Castorf nimmt sich ganze sechs Stunden Zeit für den über 800 Seiten dicken Roman. Eine hohe Anstrengung für Publikum und Schauspielende.

Wie in Düsseldorf wird auch in Köln zurzeit in einer Ausweichspielstätte gespielt. Was dem Düsseldorfer sein "Central" ist, ist dem Kölner sein "Depot". Im Depot 1, der größeren der beiden Bühnen, hat der Bühnenbildner Alexander Denić die maximale Breite in Anspruch genommen und ein riesiges Set auf die Bühne gestellt. Rechts sehen wir eine russische Datscha, so etwas wie ein Garten- oder Wochenendhaus, in grünem Anstrich mit kleiner Veranda und Kamin. Durch die Fenster können wir erahnen, wie dieses Haus eingerichtet ist: Fürstlich! Mit Klavier, edlen Sofas und teuren Bildern – hier ist mit viel Liebe eingerichtet worden und auch auf das kleinste Detail geachtet worden. Hinten in der Mitte ist eine offene Trinkhalle mit Bar, Tischen, Sitzbänken und einem Billardtisch zu sehen. Nach vorne abgegrenzt durch ein großes Tor. Rechts steht eine Kioskhalle mit großer russischer Pepsi-Werbung. Ganz vorne rechts eine riesige Leinwand, daneben steht auf russisch "Autobus". Auf dieser Leinwand wird den Abend über projiziert. Denn ein klassischer Theaterabend ist das hier nicht: Castorf entwirft eine Mischung aus Live-Filmproduktion und Theaterstück. Zwei Kamerateams begleiten die Schauspieler_innen den gesamten Abend über und die Bilder werden uns wie in einem Autokino auf eben jene Leinwand projiziert.

Was der Regisseur alles an diesem Abend erzählen will, kann nicht auf wenige Zeilen gebracht werden. Dafür bräuchte es viele viele Seiten. Und das kann man danach auch gar nicht alles in Worte fassen. Nicht alles ist zu verstehen und nachzuvollziehen, oft ist es auch einfach nur wahnsinnig überfordernd, denn einen klaren roten Faden hat der Abend nicht. Es wird sich eher an dem Protagonisten Arkadij entlang gehangelt. Eine große Aufgabe für den noch jungen Schauspieler Nikolay Sidorenko, der Arkadij verkörpert und das wirklich großartig macht. Da sei es ihm durchaus verziehen, dass er nach sechs Stunden Höchstleistung seinen Text nicht mehr richtig zusammenkriegt. Von allen Seiten wird hier durchaus eine große Konzentrationsbereitschaft eingefordert. Aber wer am Ball bleibt und bis zum Ende durchhält, geht durchaus mit einem guten Gefühl aus diesem Theaterabend. Denn einschläfernd oder langweilig ist das ganze gewiss nicht. Irgendwo wird immer einer der Sinne angesprochen oder zum Mitdenken und Folgen angeregt, auch wenn man das ganze nicht umfassend versteht. 

Dieser Theater-Marathon ist eine Herausforderung, aber es kann sich lohnen, sich dieser zu stellen!


Noch mehr #Theatertipps findet ihr auf youpod.de/theater.

von Marvin

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