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Hambacher Forst: Widerstand im Wald

12.10.2017

Ich bin 18 Jahre alt und möchte youpod nutzen, um mal eine andere Form des politischen Engagements vorzustellen. 


"Illegal aber legitim", diesen Spruch benutzen wir oft, wenn wir anderen von unserem politischen Engagement erzählen. Aber wer sind "wir"? Wir sind Waldbesetzer. Wir leben in Baumhäusern und wollen das System verändern.


Als erstes sollte ich vielleicht erklären, worum es eigentlich geht: 
"Einer der größten und ältesten Wälder Europas" 


Immer, wenn ich mal mehrere Tage am Stück Zeit finde, fahre ich in den Hambacher Forst, um dort zu leben. Der Hambacher Forst war einer der größten und ältesten Wälder Europas. Durch seine ca. 12.000 Jahre alte Geschichte, hatte er eine Biosphäre, wie kaum ein anderer Wald in Deutschland. Viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten lebten in diesem Wald. In den 1970er Jahren wurde unter dem Wald, in ca. 450 Metern Tiefe, Braunkohle gefunden und die Rheinbraun AG (heute Teil von RWE) kaufte den Wald und die umliegenden Dörfer und Felder. Ab 1978 begann die Abholzung der Wälder und die Umsiedlung von Menschen.


Mittlerweile existieren noch ca. 300, der einstigen 5,500 ha Wald. Durch Grundwasserabsenkungen durch RWE, fällt der Grundwasserspiegel auf ca. 500 Meter unter der Erde. Dadurch wird nicht nur dem Wald, sondern auch den umliegenden Feldern und Wäldern das Wasser entzogen. Die Auswirkungen dieses Pumpvorgangs sind bis in die Niederlande zu spüren. Im Zuge des Tagebaus Hambach, wurden vier Dörfer umgesiedelt und abgebaut. Zwei weitere werden momentan umgesiedelt. 


Im Frühjahr 2012 haben sich Aktivisten in dem Wald angesiedelt, deren Ziel es ist, den noch verbliebenen Wald und die Dörfer zu schützen. Aus toten Bäumen haben sie Baumhäuser gebaut. Trotz mehrerer Räumungen in den fünf Jahren, sind die Aktivisten immer wiedergekommen und haben neue Baumhäuser gebaut. Wieso Baumhäuser? Weil Baumhäuser die am Schwersten zu räumende Besetzungsform sind. Der Aufwand ist dadurch sehr groß, dass spezielle Kletterpolizisten und Hebebühnen eingesetzt werden müssen, um die Besetzungen zu räumen. Mittlerweile leben ca. 40 dauerhafte Aktivisten in 16 Baumhäusern. Dazu kommen viele Menschen, die hinfahren, wenn sie Zeit haben, so wie ich. 


"Hier gibt es wirklich kaum Luxus." (John, 18)


Das Leben im Wald ist sehr einfach, aber genau deshalb auch sehr schön. Es gibt weder fließendes Wasser, noch durchgehend Strom. Dadurch, dass im Wald Anarchie gelebt wird, gibt es niemanden der Aufgaben verteilt. Die, die länger im Wald wohnen, haben natürlich mehr Ahnung und Erfahrung und wissen eher, was noch erledigt werden muss. Letztendlich ist man in seinen Aktionen aber komplett frei, solange man dem Wald oder den Menschen, die dort leben, nicht schadet. Die Meisten dort versuchen dabei mitzuhelfen, den Wald zu schützen und die Gemeinschaft am Leben zu erhalten. Aufgaben, die immer anstehen, sind z.B. Wasser und Essen holen oder Baumhäuser oder Barrikaden zu errichten oder auszubauen.


Im Wald gibt es mehrere kleine Dörfer mit mindestens zwei Baumhäusern. Ich lebe, wenn ich im Wald bin, im Dorf "Gallien". Es ist mein zweites Zuhause geworden. Das erste Mal, als ich da war, hat mich der Ort von der Lebensweise und der Atmosphäre etwas an Taize erinnert.
"Diese Gemeinschaft und die Solidarität hier ist unbeschreiblich, wieso sieht es nicht überall auf der Welt so aus?" fragt mich John, der das erste Mal im Wald ist. Was soll ich darauf antworten? "Weil es einfacher ist, sich nicht mit den Problemen anderer auseinanderzusetzen," vielleicht oder „Weil wir erst an uns und dann an andere denken?“ oder „Weil wir abhängig von Papier mit Zahlen darauf sind?“ 


Gewaltsame Aktivisten?


Bevor ich zu meinem Schlusswort komme, möchte ich noch auf eine Sache aufmerksam machen: Die meisten Menschen in dem Wald sind friedlich und stellen sich gegen aktive Gewalt gegen andere Menschen. Sie sehen Gewalt nicht als sinnvolles Mittel an, das System zu verändern. Ohne Zweifel gibt es aber auch Menschen, die das System verändern wollen und dabei auch auf Gewalt zurückgreifen. Besonders, wenn sie durch Räumungen o.ä. bedrängt werden.


Ich bitte darum, dass die Berichterstattung in den Nachrichten differenziert betrachtet wird und dass sich jeder selbst informiert. Bitte folgt nicht einfach irgendwelchen Meinungen, die alle Aktivisten über einen Kamm scheren. 


Schluss


Immer wieder, wenn ich da bin, beschäftigen mich zwei Fragen. Die Erste lautet: "Ist diese Waldbesetzung legitim, obwohl sie illegal ist?" Jedes Mal komme ich zu der klaren Antwort: "Ja, diese Form der Waldbesetzung ist für mich legitim." Die zweite Frage lautet: "Wie natürlich menschlich ist unser Leben noch und wie luxuriös leben wir eigentlich ohne uns dessen bewusst zu sein?" Auf diese Frage habe ich noch keine abschließende Antwort, aber meiner Meinung nach haben wir unglaublich viel Luxus. Fließendes warmes Wasser, eine dauerhafte Stromversorgung oder regelmäßig neue Handys sind nur wenige Beispiele für das was ich meine.


Ich habe in dem Wald entdeckt, was Leben für mich wirklich bedeutet. Das ist viel mehr als Party machen, den Urlaub genießen und jeden Tag zur Arbeit zu gehen. Das wichtigste für mich ist Freiheit. Aber bin ich frei, wenn ich jeden Tag arbeiten gehe und von Geld und Smartphone abhängig bin?

von AndreasF

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