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Diesen Schülern muss Schokolade auch emotional schmecken

13.12.2015

Diesen Schülern muss Schokolade auch emotional schmecken

Angst kennen die Schüler der Montessori-Haupt- und Gesamtschule nicht mehr. Sie sprechen im Bundestag über faire Schokolade und Kinderarbeit. Sie machen Umfragen in Supermärkten, sammeln Unterschriften, leiten große Diskussionen, schreiben an die großen Schokoladen-Unternehmen und mischen sich ein. Die Zehn- bis 16-Jährigen haben die Schokofair-AG gegründet und setzen sich für Kinder auf der ganzen Welt ein.

"Schokolade mit Kinderarbeit schmeckt uns emotional nicht", sagt Kasimir (11) und erklärt damit, warum sich 20 Montessori-Schüler so stark einsetzen. 2010 haben sie die Schokofair-AG an ihrer Schule gegründet. Mittlerweile kennen sie kein Lampenfieber mehr und haben kein Problem, vor fremden Menschen zu sprechen.

Mund aufmachen und nerven

Immer wieder den Mund aufmachen, nerven, nachfragen, dranbleiben und das tun, wovon andere nur sprechen – das sehen die Jungen und Mädchen als ihre Aufgabe an. "Wenn ich auf Kakao-Plantagen arbeiten müsste, würde ich mir wünschen, dass sich irgendwo auf der Welt jemand für mich einsetzt", sagt Merve (16). So einfach kann der Grund sein, seit fünf Jahren durch ganz Deutschland zu fahren und sich für faire Schokolade einzusetzen. Sie will auch weitermachen, wenn sie die Schule im Sommer beendet.

Was fair bedeutet, zeigen sie Schüler nicht nur jedem, der es wissen möchte, sondern auch allen, die sich bislang keine Gedanken darüber machten, wo ihre Schokoladentafel her kommt. Einen Kakaobohnen-Sack haben sie meistens dabei. Dann springt Jaques (10) schnell hinein. (Foto rechts neben dem Text) Er wiegt 30 Kilo. Solch einen schweren Sack müssen Kinder auf einer Plantage schleppen, erklären die Schüler dann und lassen ihn hochheben. Die Kinder gehen nicht zur Schule, verdienen wenig oder gar kein Geld, werden krank, können sich nicht behandeln lassen, wissen nicht, ob sie bei der nächsten Ernte noch gebraucht werden und etwas verdienen.

Schüler kennen sich aus

"Allein in Ghana und Elfenbeinküste arbeiten 1,8 Millionen Kinder, über 600.000 von ihnen unter schlimmsten Bedingungen", erklären die Schüler. Die beiden Länder seien die Haupt-Lieferanten für den weltweiten Kakao-Bedarf. Die Kakao-Bauern könnten sich wegen der niedrigen Kakaopreise häufig keine erwachsenen Erntehelfer leisten.

Das wissen die Schüler. Und sie können genauso schnell runterrasseln, dass nur 6,5 Cent Kakao in einer Tafel Schokolade stecken, welche Siegel für Schokolade ohne Kinderarbeit stehen und wie sie sich unterscheiden.

Viele Preise und Auszeichnungen für die Jugendlichen

Für ihr Engagement wurden die Schüler aus Flingern schon oft ausgezeichnet: mit dem AWO-Kinderschutzpreis (2011), dem Düsseldorfer Schulpreis der Westdeutschen Zeitung (2012), dem WDR-Kinderrechtepreis (2012), dem "Global Citizenship Award" (2013), dem Fairtrade-Award (2014) und dem Nachhaltigkeitspreis beim WDR-Kinderrechtepreis (2014). Sie wurden 2013 Unicef-Junior-Botschafter Deutschlands und Kika-Zukunftsmacher.

Schüler fordern Schoko-TÜV und zwei Cent mehr

Im vergangenen Jahr waren sie im Bundestag zu Gast und forderten den Schoko-TÜV, ein Gesetz, das faire Produktionsbedingungen garantiert. Und sie forderten zwei Cent mehr pro Schokoladen-Produkt. "Wir machen ständig Umfragen", sagt Nico (16). "90 Prozent der Verbraucher würden das bezahlen." Die zwei Cent seien eine Direkt-Hilfe, um Kinderarbeit in den betroffenen Ländern mit sofortiger Wirkung zu mildern. So könnten erwachsene Erntehelfer eingestellt und stabile Fahrräder für den Weg zur Schule angeschafft werden.

Promis machen Werbung für faire Schokolade

Bei allen Veranstaltungen, bei denen die Schokofair-Schüler sind, haben sie ihr Logo und eine Kamera dabei. Sie klären auch Promis auf, zerren Angela Merkel, Dirk Nowitzki, Helmut Schmidt, Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki und viele andere vor die Kamera, die die Arbeit der AG gut finden.

Das sind die bekannten Gesichter, die etwas gegen Kinderarbeit haben. Aber jeder kann etwas tun, findet Amir (11). "Ich sage meiner Mutter immer, sie soll im Supermarkt nur faire Schokolade kaufen", erklärt er. Und Kasimir ergänzt: "In unserer Schule bieten wir einen Stand an, an dem wir nur faire Schokolade verkaufen. Dann haben zumindest die Montessori-Schüler keine Ausrede mehr."

Protest gegen Kinderschokolade

Ihr Einsatz gegen Kinderarbeit ist bei Freunden, Familie, in Düsseldorf und ganz Deutschland bekannt. Und sie konnten noch mehr Erfolge feiern. Als Sarah Connor 2012 in einem Düsseldorfer Supermarkt das neue Gesicht für die Kinderschokolade suchen wollte, ließen die Schüler durch ihre Proteste das Casting platzen. Grund: Hersteller Ferrero stehe im Verdacht, dass Kinderarbeit in den Produkten steckt.

Als die AG mit dem Fairtrade-Award ausgezeichnet wurde, kam Ferrero-Geschäftsführer Stephan Nießner auf sie zu, gratulierte und sagte, Ferrero würde nun 20.000 Tonnen fairen Kakao kaufen. Die Schüler fühlen sich daran nicht ganz unschuldig. Ferrero erklärte dem Jugendpportal youpod, dass das Unternehmen bis 2020 sogar weltweit alle seine Schokoladenprodukte aus Kakaobohnen herstellen werde, die als nachhaltig zertifiziert sind.

Schüler möchten nach Afrika fliegen

Ihr Einsatz soll noch weiter gehen. Sie möchten noch mal in den Bundestag eingeladen werden und für ihren Schoko-TÜV werben. Und sie schrieben einen Brief an die Schokoladen-Firmen Lindt & Sprüngli, Nestlé, Mondelez (Milka) und Ferrero. Alle Unternehmen versichern, dass sie mit oder ohne Schoko-Siegel etwas für Nachhaltigkeit und gegen Kinderarbeit tun. Die Schüler möchten sich davon ein eigenes Bild machen, auf die Kakaoplantagen nach Westafrika fahren und für einen Dokumentarfilm mit Kakaobauern und Kindern sprechen.

Lindt & Sprüngli schrieb den Schülern, dass auch das Unternehmen Kinderarbeit aufs Schärfste verurteilt. Es gratuliert den jungen Düsseldorfern zu ihrer Arbeit und weist sie darauf hin, dass es seine Schokolade zwar nicht mit den bekannten Sigeln zertifizieren lässt, aber ein eigenes Programm hat, das Kakaobauern direkt unterstützen soll. Gutachter, die nicht zu Lindt gehören, prüften vor Ort, ob es Probleme mit Kinderarbeit, Menschenhandel oder Zwangsarbeit gibt. Allerdings sei es nicht so einfach, dass auch die Schüler das tun. Die Lindt-Partner vor Ort hätten nämlich wenig Zeit, die Schüler in Afrika zu betreuen. Lindt wolle sich aber melden, wenn sich doch eine Möglichkeit ergibt.

Nestlé ist skeptischer. Das Unternehmen teilt dem Jugendportal mit, der Kakao für die deutsche Schokolade sei mit dem UTZ-Sigel zertifiziert. Auf der Internetseite des Unternehmens könne jeder sehen, wo Nestlé in Elfenbeinküste Projekte hat oder Schulen finanziert. Jeder könne dort hinfahren und mit den Menschen sprechen. "Ob es – unter gesundheitlichen und Sicherheitsaspekten – eine gute Idee ist, durch das Hinterland von Elfenbeinküste zu reisen, ist eine andere Frage", schreibt ein Sprecher von Nestlé. Das könnten die Schüler aber selbst entscheiden.

von jt

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