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Perfect Family – Auf Glücksforschung mit Menschen mit Behinderung

29.06.2019

Erleben Sie hier und jetzt fünf Exemplare der Spezies Mensch auf ihrer Reise durch tickende biologische Uhren, soziale Verantwortung, Momente, in denen die Vernunft die Sehnsucht besiegt, und den unbedingten Willen, trotz aller Widrigkeit Mutter oder Vater zu werden.

Fünf junge Menschen zwischen 17 und 30 Jahren erschaffen ihre eigene Dokumentation und nehmen das Publikum in fünf Kapiteln mit auf eine Reise in ihr eigenes Leben. Sie zeigen Fotos aus ihrer Vergangenheit, erzählen von wichtigen Entscheidungen und Hindernissen und blicken gemeinsam in die Zukunft. Es sind Sorgen, Träume und Zukunftspläne, die wohl jeder kennt. Und doch werden sind es nicht alles Dinge, die ein der Norm entsprechender Mensch kennt. Denn dieses Quintett wird teilweise vor ganz andere Probleme von der Gesellschaft gestellt als andere, denn sie alle leben mit unterschiedlichen Behinderungen.

Perfect Family– Eine Glücksforschung von Menschen mit Behinderung heißt die neueste Produktion der Bürgerbühne des Düsseldorfer Schauspielhauses. Sie gibt Bürger*innen dieser Stadt, die mit einer Behinderung leben, eine Bühne und lässt sie schonungslos die großen Fragen des Lebens stellen. Regie führte Hannah Biedermann. Uraufführung war am 26. Mai im Central auf der kleinen Bühne.

In der Inszenierung von Hannah Biedermann ist die klassische Zuschauertribüne teilweise aufgelöst. Das Publikum sitzt rechts, links und frontal von/zu einem weißen Laufsteg, wie bei einer Modenschau. Ein riesiger transparenter Vorhang versteckt die fünf Darsteller*innen, die sich dahinter in einer Art Zwischenraum befinden, der wiederum durch einen ebenso riesigen roten Vorhang, geziert mit herunterhängenden Lichterketten, nach hinten abgegrenzt ist. Als das Licht den transparenten Vorhang schimmern lässt, kann man fünf Gestalten erspähen, die als bunte, fantasievolle Fabelwesen mit Masken verkleidet sind. Ihre Gesichter sind lange Zeit nicht zu erkennen - lediglich ihre Stimmen erheben sich über den Saal, die ihr Vorhaben einläuten: Eine Dokumentation, eine Glücksforschung über den Sinn und Unsinn des Kinderkriegens. Als sich die fünf aus der Unkenntlichkeit hervorstehlen präsentieren sie sich und ihre Behinderungen voller Mut: Die vier Frauen sind alle auf Rollstühle angewiesen, der 17-jährige Albert als einziger nicht. Sie zeigen sich als fünf Exemplare der Spezies Mensch in einem Modenschau-Setting und beweisen ihre Schlagfertigkeit, indem sie kaum ein gutes Haar aneinander lassen, wenn der oder die eine gerade mal im Rampenlicht steht. 

An Einsatz von Musik, Licht, Video, Ton und Kostüm wurde hier nicht gespart: Alle Geschütze werden aufgefahren, um das Quintett bestmöglich in Szene zusetzen. Dabei nimmt sich der Abend die Zeit, die er braucht, und scheut nicht die ruhigen, langwierigen Momente, in denen auch einfach mal nicht viel passiert. Es ist eine berührende Theaterinszenierung, die aber keineswegs auf plattes Mitleid setzt - ganz im Gegenteil. Und so rückt nach und nach das Kinderkriegen als Glücksquelle ins Zentrum und beleuchtet, neben den ganz alltäglichen Problemen der jungen Menschen, auch die Hürden, Selbstzweifel und Beschränkung der Freiheiten, die ihnen in ihrem Leben entgegenstößt. Und so wird auch das Publikum direkt konfrontiert und mit teils provokanten Fragen und Aussagen zum Nachdenken gebracht: "Haben wir überhaupt das Recht auf der Bühne zu stehen, obwohl wir nicht mal richtig sprechen können?". Mit seinen performativen Elementen und dem, vor allem roten, Gesamtlook erzeugt der Abend eine starkes Band zwischen Darsteller*innen und Publikum. Man darf dankbar und anerkennend auf den Mut und die Leistung dieser fünf jungen Menschen zurückschauen, die sich in 70 Minuten völlig zurecht diese Bühne erobert haben. Begeisterter Applaus für den neuesten Streich der Bürgerbühne zum Spielzeitende. 

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von Marvin

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