Penthesilea – Duell und Duett mit Achilles und Penthesilea
16.04.2019
Penthesilea: Neridensohn.
Achilles: Königin.
Penthesilea: Peleïde.
Achilles: Königin.
Penthesilea: Überwinder Hektors.
Achilles: Gefangene. Königin. Unglückliche.
Penthesilea: Fürchterlicher.
Achilles: Verlorene. Betrogene.
Penthesilea: Jüngling. Gott.
Achilles: Wie nenn ich dich?
Penthesilea: ...
Achilles: Wer bist du?
Penthesilea: ...
Achilles: Wie nenn ich dich, wenn meine eigne Seele Sich, die entzückte, fragt, wem sie gehört?
Der Trojanische Krieg ist immer noch im vollen Gange und der Kampf zwischen den Griechen und Trojanern nimmt kein Ende. Plötzlich mischt sich ein Heer von Amazonen, nur weibliche Kriegerinnen, in die Schlacht ein. Doch die Amazonen schlagen sich nicht auf eine Seite, sondern kämpfen gegen alle Krieger. Als die Königin der Amazonen, Penthesilea, auf dem Schlachtfeld Achilles, dem König der Griechen, begegnet, verliebt sie sich in ihn und will den griechischen Heerführer als Mann gewinnen. Doch dafür muss die stolze Amazone diesen im Krieg besiegen und als Kriegsbeute mit in ihre Heimat Themiskyra nehmen, so will es der Brauch der Amazonen. Mars wählt nämlich für jede Amazone den Partner, den diese im Krieg bezwingen muss. Individuelle Partnerwahl ist durch das Amazonengesetz untersagt. Das Gesetz ist ihr heilig und sie will es auf keinen Fall brechen. Deshalb zieht sie in immer neuer Kraft gegen Achilles aufs Feld. Zwei Figuren, die sich gegenüber stehen und Liebende und Krieger zugleich sind.
Penthesilea heißt das Drama von Heinrich von Kleist aus dem Jahre 1808. Das Trauerspiel wurde im April 1876 am Königlichen Schauspielhaus Berlin uraufgeführt. In Koproduktion mit den Salzburger Festspielen hat das Schauspielhaus Bochum das berühmte Drama nun neu inszeniert. Regie führte der seit dieser Spielzeit das Schauspielhaus Bochum leitende niederländische Intendant Johan Simons, der Kleists Stück in einer Textfassung von Vasco Boenisch nur auf die beiden Protagonist*innen Penthesilea und Achilles fokussiert. Gespielt werden die beiden Figuren von den Schauspielstars Sandra Hüller und Jens Harzer, die für ihre herausragenden Darbietungen in Penthesilea für den renommierten Theaterpreis "Nestroy" nominiert sind. Die Bochumer Premiere war am 10. November im Schauspielhaus.
Achilles und Penthesilea liefern sich ein Wettrennen durch die Berge, abgestoßen und angezogen voneinander. Einmal jedoch wird sie durch einen Pfeil schwer verletzt und fällt in Ohnmacht. Daraufhin gibt sich Achilles als Verlierer aus, um ihr die Schande der Niederlage zu ersparen. Als Achilles ihr aber die Wahrheit sagt, ist sie entsetzt und tief getroffen in ihrem Stolz. In einem weiteren Zweikampf will er sich nun von ihr besiegen lassen, damit sie als Siegerin über ihm steht, so wie es das Amazonengesetz fordert. Doch Penthesilea, die das Spiel nicht durchschaut, verwundet ihn tödlich. In tierischer Wildheit und Raserei zerreißt sie schließlich zusammen mit ihren Hunden den Geliebten und zerfleischt seine Brust mit den eigenen Zähnen. Schockiert über ihre eigene Tat sagt sie sich vom Gesetz der Amazonen los und folgt Achilles in den Tod.
In Johan Simons Inszenierung ist das Schlachtfeld, auf dem sich Penthesilea und Achilles begegnen, ein schwarzer, dunkler, tiefer Bühnenraum. Die Bühne ist wie leer gefegt, ein großes Nichts. Kein Licht und keine Menschen, nur ein seltsames Geräusch im Hintergrund. Ein weißer, rechteckiger, horizontaler Lichtbalken mit kühlem Weißlicht ist im Boden kurz vor der Bühnenrampe verankert. Nur diese Lichtquelle erhellt die Szenerie. Und dann sind sie plötzlich da, außer Atem, in Hast, sich verfolgend: Penthesilea und Achilles. Sie mit einer blonden Kurzhaarfrisur, barfuß, mit einem schwarzen Rock und einem schwarzen trägerlosen BH Bandeau. Dem gegenüber steht er mit schwarzem festen Schuhwerk, einem schwarzen Rock, einem schwarzen Unterhemd und einer darüber hängenden Kette. Je tiefer sie in der dunklen Bühnentiefe versinken, desto mehr bleibt nur das Gesicht erkennbar. Der Rest verschwimmt mit der Dunkelheit in der Peripherie. Wenn er nur im schwarzen Boxer da steht und die beiden aufeinandertreffen, sind das wie zwei Sterne im Universum, die aufeinanderprallen. Und es sind die Götter, die die Erde festhalten müssen, damit sie nicht aus den Fugen gerät. Wie sie sich aneinander abarbeiten, sich von einander lösen, um wieder voneinander hoffnungslos angezogen werden, ist wunderbar zu beobachten. Es ist ein maximal minimalistisch ausgestattetes Bühnensetting, in das Regisseur Simons seine beiden Schauspieler*innen stellt. Und schaffen sie es durch ihre Worte und ihr Spiel den kompletten Bühnenraum so zu füllen, dass es auf den Zuschauersaal nur so überläuft. Langeweile kommt in den zweistündigen Duett- und Duellspiel nicht auf. Dafür ist es viel zu interessant zu beobachten, wie die beiden mit- und aufeinander agieren und reagieren. Dann zeigt sich Jens Harzers Achilles in größter Verletzbarkeit, zieht seine Schuhe aus und streckt ihr seinen Fuß mit seiner Schwachstelle der Achillesferse entgegen. Und was macht Sandra Hüllers Penthesilea? Sie beißt vorsichtig und verspielt in seine Ferse und lacht ungebremst über den in Panik verfallenden Achilles. Es sind diese Momente, die so stark strahlen, das Publikum berühren und den Abend überdauern. Ein großer Theaterabend, der mit so kräftigem und langanhaltendem Applaus belohnt wird, dass es gar so scheint, dass das Publikum die zwei Schauspieler*innen nicht mehr gehen lassen möchte. Wen wundert's!
***Noch mehr #Theatertipps findet ihr auf youpod.de/theater.***
Kommentar verfassen