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Die Räuber – Schillers Drama in nächtlicher Waldatmosphäre

16.03.2019

Das Gesetz hat zum Schneckengang verdorben, was Adlerflug geworden wäre. Das Gesetz hat noch keinen großen Mann gebildet, aber die Freiheit brütet Kolosse und Extremitäten aus.

Ein schier einfacher Familienkonflikt, der sich als gesellschaftlicher Konflikt entpuppt. Und in welchem Verhältnis steht dabei Gesetz und Freiheit? Darum geht es in Friedrich Schillers Erstlingswerk Die Räuber, das 1781 veröffentlicht und 1782 am Nationaltheater Mannheim uraufgeführt wurde. Auch heute stellt sich noch die Frage danach, inwiefern ein unbändiger Freiheitsdrang und Idealismus Gewalt und Zerstörung rechtfertigen kann. Der junge, aufstrebende Regisseur Ersan Mondtag, der bekannt für seine bildgewaltigen Arbeiten ist, hat sich dem Drama verschrieben und es für das Schauspiel Köln inszeniert. In Köln sind derzeit seine Theaterproduktionen Wonderland Ave. von Sibylle Berg (Uraufführung am 8. Juni 2018) und Die Vernichtung von Olga Bach (Kölner Premiere 22. September 2018) zu sehen. Die Premiere von Die Räuber mit einem Monolog über die Freiheit von Carolin Emcke war am 15. März im Depot 1.

Maximilian, der regierende Graf von Moor, hat zwei ungleiche Söhne: Karl und Franz. Karl, der Ältere, ist der Liebling des Vaters. Franz ist der Zweitgeborene und hat als dieser auch kein Anrecht auf das Erbe. Er wird daher vernachlässigt und erhält nur wenig Zuneigung von seinem Vater. Das treibt Franz in eine so tiefe Eifersucht, dass er eine Intrige gegen seinen Bruder spinnt und den Vater dazu überredet krieg, seinen geliebten Karl zu verbannen und zu enterben. Außer sich vor Wut und in tiefer Verzweiflung beschließt Karl in die Wälder zu gehen, um eine Räuberbande zu gründen. Er wird Anführer dieser Räuberbande, mit der er raubend und mordend durch die Welt zieht. Nach einigen Jahren will er, unerkannt noch einmal in sein Vaterhaus zurückkehren. Dort erkennt er die Ränke seines Bruders, der sich mittlerweile zum neuen Herrn über Schloss Moor gemacht und den Vater ins Grab gebracht hat. Karl schwört Rache. Franz, der durch das Auftauchen des Bruders sein Leben bedroht sich, begeht in letzter Sekunde Selbstmord und entgeht so seiner gerechten Strafe. Doch auch für Karl gibt es kein zurück mehr, denn hat sich durch seinen Treueid ewig an die Räuberbande gebunden.

Der rote Vorhang ist geschlossen, nächtliche Waldgeräusche und die Rufe eines Käuzchens dazu. Daneben prasselt der strömende Regen auf das Blechdach des Depots in Köln-Mülheim. Die Atmosphäre scheint an diesem Abend zu stimmen und auch als der Vorhang sich öffnet und das Geheimnis des abermals fantastischen Bühnenbilds von Ersan Mondtag (Regie/Bühne) gelüftet wird, zieht die düstere Stimmung der Bühne auf den Zuschauersaal über. Ganz hell ist es auch am Ende nie geworden – die Brüder Karl und Franz finden keine Erlösung. Einen Ausweg aus diesem gesellschaftlichen System, den Weg in die Freiheit, erlangen die beiden nicht. Und so blickt der Zuschauer knapp 3 1/2 Stunden lang auf einen düsteren Wald bei Nacht: Links steht das Haus der Familie Moor mit hölzerner Veranda, das im Laufe des Abends immer wieder gedreht wird, damit man einen hohen, eingerichteten Wohnraum sieht, mit Porträts der Vorfahren an den Wänden. Rechts steht ein quadratisches Wasserbecken mit steinernen Stufen und dahinter eine hohe Mauer mit einer rechteckigen Videoprojektionsfläche. Im Hintergrund ragt ein gemalter Wald empor mit einem hochstehenden Vollmond und riesigen Fichten. Und in der Mitte wirft eine übergroße Statue des Vaters, dem regierenden Grafen Maximilian von Moor, Schatten. Eine Statue, die die über allem stehende patriarchale Ordnung verdeutlicht und nicht zum Fallen gebracht werden kann, eigentlich. Denn am Ende ist es der regierende Graf höchst selbst, der die Statue mit einem Seil zum Umfallen bringt und damit für den größten Lacher des Abends sorgt. Schafft sich das Patriarchat wirklich irgendwann selbst ab? Das bleibt zu bezweifeln. 

Einen weiteren neuen Interpretationsrahmen fügt der Regisseur dem Schiller Drama hinzu, indem er zentrale Figuren, u.a. die beiden Brüder Moor, von Damen statt Herren spielen lässt: Lola Klamroth als Karl und Sophia Burtscher als Franz. Ein Schachzug, der nicht wirklich aufgeht: Die eine bleibt, auch durch das Kostüm, äußerlich feminin und die andere spielt zu sehr "auf Mann" und kann daher nicht überzeugen. Das macht sich auch beim Schlussapplaus bemerkbar, als die beiden Hauptdarstellerinnen einem hartnäckigen Buh-Rufer ausgesetzt sind. Ordentlich einstecken muss auch Regisseur Ersan Mondtag, der beim Premierenapplaus von gut einem halben Dutzend Buh-Rufer hartnäckig kritisiert wird. Das scheint ihm aber auch nichts auszumachen, denn seine Inszenierungen wollen oft polarisieren und eine klare Message an den Zuschauer senden. Wie auch an diesem Abend: Der äußerst langatmige Theaterabend endet mit einem eigens für die Produktion geschriebenen Monolog von der Publizistin Carolin Emcke mit dem Titel Ein Monolog über die Freiheit. Vorgetragen wurde dieser in einem Video von der Schauspielerin Thelma Buabeng. Ein starker Schluss, den wohl der ein oder andere als aufdrückende Moral empfunden hat.

Ersan Mondtags Inszenierung beginnt und endet in düsterer Kulisse. Die zahlreichen Videoeinspieler, die übrigens größtenteils im Elbsandsteingebirge aufgenommen wurden und eine ordentliche Qualität vorweisen können, lenken die Aufmerksamkeit immer wieder weg vom Bühnenspiel und wirken oftmals gar lähmend. Der Abend ist mit Text nur so überfrachtet und kostet ordentlich Konzentration und Aufmerksamkeit seitens des Publikums. Und doch hat man am Ende das Gefühl, nicht wirklich etwas von dem Abend mitgenommen zu haben, außer einmal wieder Zeuge einer großartigen Kulisse seitens des Regisseurs zu sein. Ob es sich lohnt dafür dreieinhalb Stunden Textmassen zu durchdringen, bleibt Entscheidung des Zuschauers.  

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von Marvin

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