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Wenn Politik bei Familienfeiern nervt

19.12.2022

Auf jeder Familienfeier das gleiche Problem: Opa will nicht verstehen, dass du vegan lebst. Deine Mama zweifelt mal wieder Impfungen an. Dein Bruder macht sich übers Gendern lustig. Und die Tante findet, dass es in Politik und Wirtschaft starke Führer geben müsse, die allein entscheiden sollten. 

Vorfreude kommt da nicht auf. Und danach bist du genervt und verzweifelt: Obwohl ihr euch darauf geeinigt hattet, nicht über Politik zu sprechen, prasselten wieder Ignoranz, Unwahrheiten und Verschwörungsglaube auf dich ein. 

Tipps für deine Familienfeier

Dieses Problem gibt es in ganz vielen Familien. Sprich mal mit deinen Freund*innen darüber. Du wirst erstaunt sein, wie vielen es genauso geht. Eventuell beruhigt dich das auch etwas: Du bist nicht allein! Eine einfache Lösung für dieses Problem gibt es leider nicht. Aber die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus hat einige Tipps für euch, wie ihr mit der Situation umgehen könnt. youpod.de sprach mit Marat Trusov von der Beratung. Er macht darauf aufmerksam, dass es bei solchen politischen Diskussionen nicht immer um Ideologien geht. Solche Stammtischsprüche sind manchmal kein tief sitzender Rassismus oder Sexismus. "Die Sprüche sind unreflektiert", sagt Trusov. Das sei etwas anderes. Meistens fallen sie noch in einen Rahmen ohne Menschenrechtsverletzung. 

Versteh wie Vorurteile und Verschwörungen funktionieren

Was hilft dir da? Du solltest unbedingt wissen, wie Vorurteile und Verschwörungsglaube funktionieren, gibt Trusov als Tipp. "Wenn eine Person Vorurteile äußert, hat das eine Funktion", sagt er. "Sie will damit ihre Lebensentwürfe festigen und Welterklärungsmuster aufrechterhalten." 

Psycholog*innen weisen darauf hin, dass Verschwörungsglaube mit seinen einfachen Ansichten auch Kontrolle und Sicherheit bietet. Jemand der Verschwörungen verbreitet, hat ein besseres Bild von sich, fühlt sich klüger oder strebt danach, schwierige Dinge zu verstehen.

Wo sind deine Grenzen?

"Wenn man weiß, dass solche Denkmuster eine Funktion haben, hilft und entspannt das ein wenig", macht Trusov von der Beratungsstelle Mut. Danach solle man sich selbst fragen: Wo sind meine Grenzen. Wie viel Verständnis und Mitgefühl möchte ich einbringen? Muss Opa verstehen, was vegan ist? Das vielleicht nicht. Aber du willst wahrscheinlich trotzdem auch bei der Familienfeier keine tierischen Produkte zu dir nehmen. Das sind Fragen, die nur du für dich beantworten kannst. Dadurch findest du deine Grenzen: Was bist du bereit zu tun und was nicht? Und diese Grenzen darfst du dann ziehen.

Argumentieren gegen "Allwissende" ist schwierig

Aber das ist natürlich nicht einfach. Vor allem, wenn man sich beim Diskutieren im Familienkreis alleine fühlt gegenüber einer Wortgewalt. Trusov verweist darauf, warum rechter Meinungsstreit so erfolgreich ist: "Es werden einfache Lösungen für komplexe Probleme genannt", sagt er. "Fakten werden falsch interpretiert." Dagegen ist es schwer anzukommen. Gerade bei Menschen, die geübt darin sind, Verschwörungen und populistische Themen zu verbreiten. Da wird das Argumentieren schwer, weil solche Menschen viel reden, viele Themen nennen und vermischen. Es entsteht der Eindruck, dass diese Menschen allwissend sind und anderen überlegen. 

Sorge für eine zweite Meinung

Wer sich nicht auf solche unwissenschaftlichen Methoden einlassen möchte, muss das nicht, macht Trusov klar. "Dann muss ich nicht diskutieren. Aber ich darf meine Meinung sagen." Es sei sogar wichtig, wenn zumindest zwei gegensätzliche Ansichten im Raum stehen. Zuhörer*innen merken dann, dass es verschiedene Meinungen gibt und sie sich nicht einer anschließen müssen. 

Sag, dass ihr keine Expert*innen seid

Auch die scheinbare Allwissenheit könne man ansprechen, sagt Trusov. "Gerade in Krisen sehen wir, wie schnell eine Person angeblich Experte auf vielen Fachgebieten werden kann: Gesundheit, Verteidigung und bei vielem mehr." Wie solle das funktionieren, fragt der Fachmann aus der Beratungsstelle. Ein Youtube-Video ersetze keine wissenschaftliche Recherche, ein Artikel kein Studium. Du kannst also ruhig ansprechen: Meine Meinung ist eine andere. Ich bin zwar kein*e Expertin, aber du doch auch nicht. 

Das kann helfen, dass nicht eine Meinung als alleinige Wahrheit überbewertet wird und zu viel Bedeutung erhält.

Du bist nicht allein!

Probier diese Tipps vom Profi doch bei der nächsten Familienfeier mal aus. Dann weißt du zumindest, dass du alles gemacht hast, was in deiner Macht steht. Und wenn du trotzdem noch etwas genervt sein solltest, triff dich in den Tagen danach mit Freund*innen und tauscht euch aus. Du bist nicht allein!


von jt/youpod

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