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Die Reise der Verlorenen – Eine Schicksalsfahrt auf der St. Louis

11.11.2019

Zehn hölzerne Stühle, ein angedeuteter Schiffsbug und das Meer als Videoprojektion auf der Rückwand – mehr braucht Regisseur Rafael Sanchez nicht, um das jüngste Stück von Bestseller-Autor Daniel Kehlmann als deutschsprachige Erstaufführung am Schauspiel Köln auf die Bühne zu bringen. Nach der Uraufführung von TYLL zum Start der vergangenen Spielzeit unter der Regie von Intendant Stefan Bachmann findet mit DIE REISE DER VERLORENEN nun ein weiteres Werk von Daniel Kehlmann seinen Weg in die Kölner Ausweichspielstätte Depot. Premiere war am 7. November. Das Stück nimmt sich einer wahren Begebenheit an: 1939 gehen knapp 1000 Juden an Bord der St. Louis in Hamburg, um von Deutschland nach Kuba überzusetzen. Viele der Menschen wollen von dort aus in die USA weiterreisen. Doch erst als das Schiff längst abgelegt hat, verweigert der kubanische Präsident die Einreise. Die quälende Ungewissheit und Angst, nach Deutschland zurückkehren zu müssen, treibt die Menschen an Board zur Verzweiflung. Und doch scheint die Rückkehr nach Europa aussichtslos, denn niemand möchte die Menschen aufnehmen. Die Parallelen zur heutigen Zeit der großen Fluchtbewegungen sind unverkennbar. Damit stellt sich aber auch die Frage, was das über unsere Gesellschaft aussagt.

Neben dem Bühnenbild setzt Regisseur Sanchez auch in puncto Besetzung auf Reduktion: Die 30 vorkommenden Figuren werden von nur elf Schauspielern verkörpert. Geschickt werden die Figuren mit einzelnen Kostümteilen und körperlichen Einzigartigkeiten so karikiert, dass sie sich bestens auseinanderhalten lassen. Das Bühnenspiel des Ensembles wird zudem durch einen Live-Musiker am Klavier begleitet. Das erinnert ein wenig an den Untergang der Titanic, bei der die Musiker auch bis zum Schluss an Board geblieben sind und immer weiter gespielt haben. Das Ensemble lieferte eine solide Leistung ab und hatte großen Anteil, an dem äußerst dichten und packenden Theaterabend. Besonders hervorzuheben sind Schauspielstar Peter Lohmeyer und Ensemblemitglied Birgit Walter. 

Eine große Stärke der Inszenierung ist, dass es sich Regisseur Rafael Sanchez darauf verzichtet hat, künstliche und erzwungene Vergleiche mit der heutigen Zeit anzustellen. Stattdessen betonen die Spieler immer wieder, dass es sich bei der Erzählung um eine wahre Begebenheit handelt, was in Verbindung mit dem Dargestellten mehr als eindeutig ist. Am Ende berichten dann die einzelnen Figuren, wie ihr Leben nach der Schicksalsfahrt weitergegangen ist – was Täter und Opfer dabei eint: Ihr aller Weg endete früher oder später mit dem Tod. Und doch ist es wichtig, für sich klar zu haben, auf welcher Seite der Geschichte man stehen will. 

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von Marvin

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