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Schöne neue Welt – Ein dystopischer Blick in die Zukunft mit Kölner Jugendlichen

13.10.2019

"Herzlich Willkommen, herzlich Willkommen, in unserer schönen neuen Welt!"

Na? Auch den gleichnamigen Culcha Candela Hit aus dem Jahr 2009 im Ohr? Ganz so lustig und heiter geht es in Aldous Huxley gleichnamigem Roman "Schöne neue Welt" von 1932 allerdings nicht zu: Menschen werden in Kasten eingeteilt und in staatlichen Brut- und Aufzuchtszentren produziert und Kunst, Liebe, freies Denken und echte Emotionen werden ohnehin nicht mehr gebraucht. Der dystopische Roman, der in zahlreichen deutschen Bundesländern Pflichtlektüre für das Englisch-Abitur ist, wurde nun für das Schauspiel Köln von der Dramaturgin Julia Fischer in eine Bühnenfassung gebracht und von Regisseur Bassam Ghazi inszeniert. Auf der Bühne stehen dabei 15 Jugendliche und junge Erwachsene des von Ghazi selbst geleitetem Import Export Kollektivs, das den gegensätzlichen Zukunftsvisionen Utopie und Dystopie eindrücklich auf den Zahn fühlt. Nach den Produktionen "real fake" und "Concord Floral" eröffnete das junge Ensemble in dieser Spielzeit die Bühne der Außenspielstätte am Offenbachplatz. Premiere war am 28. September.

Als Gast in der schönen neuen Welt der Zukunft wird das Publikum im Zuschauersaal erstmal mit kritischem Blick beäugt. Die 15 jungen Spielerinnen und Spieler tragen alle einheitlich Jumpsuits in verschiedenen dunklen Farben mit weißen Sneakers - Individualität ist ja auch sowas von 2019! Jedes Mitglied der Gesellschaft hat schließlich seinen eigenen vorgegebenen Platz und gehört einer Kaste an. Doch ganz so schön ist das wohl nicht, wenn man dafür seine Freiheit eintauschen muss. Es ist eine düstere Welt, auf die wir blicken. Ein dunkler Bühnenraum, in dem lediglich drei große Spiegel mal das Licht reflektieren oder zum Spiegel der Gesellschaft werden. Neben der technikgesteuerten Überwachung, die dezent durch zwei Technikarme an den Bühnenseiten und große Videoprojektionen auf die matten Spiegelrückseiten angedeutet sind, hat vor allem der omnipräsente Boss, in grauem Anzug und mit Glitzerschmuck die Kontrolle. So werden einzelne konkrete Szenen aus der Romanvorlage gezeigt, die mit persönlichen Stellungnahmen der Protagonisten verwebt sind. Dann steigen diese nämlich aus der Handlung aus und stellen ihre eigene Meinung dazu bzw. den kolonialen Blick auf das Thema dar. Denn wenn in Huxleys Roman die "Wilden" ausgestellt und wie in einem Zoo bestaunt werden, dann schnellen die Gedanken schnell in Richtung Kolonialzeit, in der Leiche, Körperteile, Gebisse von Menschen aus den Kolonialstaaten geraubt und in Europa ausgestellt wurden. Ein interessanter Perspektivwechsel, der nur leider etwas zu gewollt und erzwungen daherkommt. Ansonsten hat es Bassam Ghazi in seiner dritten Produktion durchaus geschafft, sein Ensemble auf ein schauspielerisches Level zu bringen. Die künstliche Betonung von Wörtern, die absurde Wortwahl und die überpointierte Gestik und Mimik lassen die teils durchwachsenen Schauspielfähigkeiten schnell vergessen. Denn authentisch sind die jungen Menschen nur, wenn sie sich aus den Ketten des Romans lösen und eigene Positionen beziehen. In Kombination mit der elektronischen Musik und den tanzchoreografischen Elementen entsteht eine große dystopische Zukunftsvision. Dass die Jugendlichen in so einer Welt nicht leben wollen, stellen sie am Ende nochmal deutlich klar. Doch es stellt sich die Frage, wie weit wir heutzutage eigentlich noch von Huxleys schöner neuen Welt entfernt sind?  


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von Marvin

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