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Coriolan – Ein Clown kommt selten allein

19.04.2019

Was gibt’s, Querulantenpack? Juckt euer kleines bisschen Grips euch so, dass ihr euch bis zum Aussatz kratzt? Was wollt ihr, Hunde ihr? Krieg passte euch nicht und Frieden macht euch frech. Wer euch vertraut, der findet, wenn es gilt, statt Löwen Hasen. Ihr seid so verlässlich, wie glühende Kohlen auf dem Eis, wie Schnee in der Sonne. Und hängt man ab von eurer Gunst, dann hackt man sein Holz mit Stroh und schwimmt mit bleiernen Flossen. Hängt euch auf!

Es gibt nichts, was Caius Martius Coriolanus mehr hasst als das einfache Volk, die "dumme Masse". Und doch wird er nicht darum herumkommen können, sich mit ihnen gemein zu machen. Denn wer Konsul werden will, braucht die Stimmen des Volkes. Coriolanus heißt die Tragödie von William Shakespeare, die die Geschichte des römischen Patriziers und Kriegshelden Coriolanus erzählt, der sich gegen sein eigenes Volk wendet. Das Stück, um 1608 entstanden, zählt zu den selten gespielten Werken Shakespeares. Am Düsseldorfer Schauspielhaus steht die Tragödie nun aber auf dem Spielplan, unter dem Titel Coriolan. Mit der Begründung, dass das Stück sich wie ein brandaktueller politischer Thriller um Krieg und Populismus, Macht und Intrige lesen lasse. Regie führte dabei Tilmann Köhler, der in Düsseldorf zuletzt Friedrich Dürrenmatts Das Versprechen und Henrik Ibsens Stützen der Gesellschaft auf die Bühne brachte. Premiere war am 18. April im Central auf der großen Bühne.

Das frühe Rom zur Zeit der Entstehung der Republik. Das Volk leidet großen Hunger, während die Patrizier das Getreide horten. Getreide kann sich nur noch leisten, wer den hohen Preis bezahlen kann, der dafür verlangt wird. Die Unruhen in der Stadt und die dramatisch angespannte Lage zwischen Plebejern und Patriziern nutzt das Volk der Volsker für sich und marschieren gegen Rom in den Krieg, angeführt von Aufidius. Caius Martius, ein patrizischer General, zieht daraufhin in die Schlacht, belagert die Volskerstadt Corioli, erobert schließlich mit den Römern die Stadt und gewinnt den Krieg auf dem Schlachtfeld. Der Verwundete erhält für seine Tapferkeit den Beinamen Coriolanus und kehrt als Kriegsheld gefeiert nach Rom zurück. Hier soll er nun als Konsul kandidieren und das höchste Amt im Staat erhalten. Doch dafür braucht er die Stimmen des Volkes. Das Problem dabei: Er hasst das einfache Volk und sein Auftreten gilt als überaus arrogant. Trotzdem schafft er es auf Roms Marktplatz die Menschen zu überzeugen. Die Tribunen Brutus und Sicinius allerdings fürchten bei Coriolanus' Ernennung zum Konsul die Abschaffung ihres Amtes. Und so überreden die beiden die Plebejer dazu, ihre gegebene Zustimmung doch noch zurückzuziehen. Daraufhin beschimpft Coriolanus die Tribunen und verstört mit seinem Wutausbruch auch die Plebejer endgültig. Auf eindringendes Anraten seiner Mutter Volumnia kehrt er noch einmal auf den Marktplatz zurück, um sich mit den Plebejern zu versöhnen. Doch lässt er sich, von Sicinius provoziert, zu Tiraden gegen die Tribunen und Plebejer hinreißen, die darauf seine Verbannung auf Lebenszeit fordern. Er verlässt Rom freiwillig, gesinnt auf Rache und schreckt auch vor größter Tücke nicht zurück.

In Tilmann Köhlers Coriolan-Inszenierung besteht das Ensemble aus acht Männern. Sämtliche Figuren, auch die der Frauen, werden von den Schauspielern verkörpert. Die Kostümbildnerin Susanne Uhl verpasste allen einen individuell kreierten Clowns-Look, auf dem die Inszenierung aufbaut. Weiß gefärbte Gesichter, rote Pappnasen, neon-leuchtende Perücken und karierte, gepunktete und gestreifte Oberteile. Die acht knallbunten Clowns, die zum Teil aus einem Horrorfilm entsprungen sein könnten, wurden in einen geschlossenen hölzernen Raum, bestehend aus quadratischen Mustern, gestellt. Lediglich die vierte Wand ist offen, einen Ausgang scheint es hier ansonsten nicht zu geben. Zu Beginn erhebt sich dann aber ein kreisrunder Teil des Bodens, an dessen Unterseite Scheinwerfer befestigt sind, die in alle Richtungen leuchten können. Dieses Lichterareal schwebt nach dem Anfang bis kurz vor Schluss über der Bühne und leuchtet die gesamte Spielfläche aus, kein Winkel bleibt vom Licht verschont. Coriolan, der von Publikumsliebling André Kaczmarczyk verkörpert wird, ist erst ein Teil dieser lustig anmutenden Clownstruppe, die da grölt und rumstapft, ehe er sich aus der Masse stiehlt und mit ausgestopftem Schritt, silbernem Totenkopf-Gürtel, breitschultriger Muskelattrappe und einem bunten Zepter (umfunktioniert aus einem Besenstiel) groß auftritt. Ein wahrlicher Arroganz-Bolzen mit dicker Hose und großem Maul. Die Schauspieler sehen natürlich nicht nur aus wie Clowns, sie benehmen sich auch so: schniefen ins bunte Taschentuch, zerplatzen Luftballons, schmeißen Süßigkeiten ins Publikum, sprühen Konfetti und prusten in ihre Tröten. Sie grölen Fußballparolen ("Auswärtssieg!", "Oh, wie ist es schön!") und bewegen sich vorrangig als Masse. Duelliert wird sich hier natürlich nicht mit Waffen und Pistolen, sondern mit roten Sprühflaschen. Fahnen und Luftballons. Hier zeigt sich die Inszenierung gerade im ersten Teil spielfreudig, konsequent und abwechslungsreich. Doch man ahnt es schon: Wer gleich zu Beginn ein solch buntes und knalliges Spielereien-Feuerwerk abbrennt, dem gehen früher oder später die Ideen aus. Und so kommt es dann auch. Gerade durch dieses hohe Tempo am Anfang entwickelt die Inszenierung nach und nach ihre Längen, ehe man die Pause sehnlichst herbeiwünscht.

Nach der Pause hat sich der Zuschauersaal dann fleckenartig geleert. Doch das mag vermutlich weniger an der Inszenierung als an den schwierigen Bedingungen im Central liegen, über die sich vereinzelt Zuschauer in der Pause beschweren. Die Luft ist stickig und der Saal schon jetzt ziemlich aufgeheizt. Da tun die überdehnten Plastik-Sitzschalen und die geringe Distanz zum Sitznachbarn ihren Rest. Das Publikum wie die Mitarbeiter des Düsseldorfer Schauspielhauses sehnen sich da verständlicherweise zurecht nach dem vollständigen Wiedereinzug des Theaters ins Schauspielhaus am Gustaf-Gründgens-Platz zur neuen Spielzeit. 

Im zweiten Teil sind die Clownsmasken verwischt und zerlaufen. Um Spaß geht’s hier nun sicher nicht mehr. Der rachsüchtige Coriolan findet Verbündete beim verfeindeten Volk der Volsker, die mit blauen Clownsnasen und grimmigen Blick den einstigen Gegner aufnehmen. Das Aufeinandertreffen mit Coriolan's Todfeind Aufilius gerät dann zu einer liebevoll-zärtlichen Begegnung, die einen der selten berührenden Momente des Abends ausmacht. Doch auch dieser Moment ist nicht von Dauer: Coriolan schlittert kopfüber in sein Unheil und wird am Ende im Kreise eines wütenden Mobs in Rom getötet. Ein letztes Aufbahren der Leiche in das kreisrunde Bühnenloch, ehe der Deckel draufkommt und die Figuren die vierte Wand durchbrechen und der Bühne entweichen. Zurück bleibt nur der kleine Sohn des toten Coriolans, der da redet und klingt wie einst sein gebrochener Vater. Diese Art von politischen Führern, die die Macht an sich reißen wollen und dem Volk nur zu gern seine demokratischen Rechte wegnehmen wollen würde, stirbt wohl nie aus. Großer Applaus für das Ensemble und das künstlerische Team um Regisseur Tilmann Köhler nach streckenweise zähen 3 1/2 Stunden. 

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von Marvin

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