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No President – Eine trump'sche Selbsttherapie im Düsseldorfer Schauspielhaus

01.12.2018

Wir befinden uns noch früh in der Spielzeit 2018/19 im Düsseldorfer Schauspielhaus, aber vielleicht sprechen wir hier gerade wirklich schon von DER Inszenierung der laufenden Spielzeit. Nicht weil diese Inszenierung vor künstlerischer Qualität und Genialität strotzt, aber sie ist definitiv einmalig, berauschend, polarisierend und ein Zugeständnis an ein Publikum, das genauso Anspruch auf sein Stadttheater hat, wie es das graue Abonnement-Publikum erhebt. So etwas hat man in Düsseldorf schon lange nicht gesehen. Hut ab vor der Intendanz, die diese Inszenierung fest auf den Spielplan gesetzt hat. Was für ein starkes Signal!

No President. Ein aufklärerisches Handlungsballett in zwei unmoralischen Akten heißt der Theaterabend, der in einer Koproduktion mit der Ruhrtriennale entstanden ist. Das Nature Theatre of Oklahoma, mit Sitz in New York, hat diese Inszenierung entwickelt und allein der Titel ist schon sagenhaft. Uraufgeführt wurde der rund zweieinhalbstündige Abend am 14. September 2018 bei der Ruhrtriennale, seine Düsseldorf-Premiere feierte das Stück am 28. September im Central auf der kleinen Bühne. Die Aufführung ist in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln. Mit diesem Abend scheinen Kelly Copper und Pavol Liška (Text, Regie und Choreografie) vom Nature Theater aus Oklahoma nichts geringeres verarbeiten zu wollen als die US-Präsidentschaft von Donald J. Trump.

Eine erfolgreiche Sicherheitsfirma, deren Angestellte aus ehemaligen Schauspieler*innen besteht, wird beauftragt, einen ganz besonderen roten Vorhang zu beschützen – und das, was auch immer dahinter verborgen sein mag. Doch bald schon geraten die Dinge zunehmend außer Kontrolle: Mikey ist wie sein bester Freund Georgie in die Aufseherin verliebt, die aber mit dem "Big Boss" verheiratet ist. Neben das Gefühlschaos gesellt sich ein Angriff von Wachleuten einer rivalisierenden Sicherheitsfirma, bestehend aus ehemaligen Balletttänzer* innen. Es kommt zum großen Kampf, der Teufel tritt auf und Mikeys innere Dämonen suchen ihn heim. Können sie ihre Aufgabe erfüllen?

Mit einem rasanten und furiosen Monolog kommentiert sich Robert Johanson beinahe pausenlos durch den gesamten Abend. Daneben verkörpert er auch den fleischgewordenen Teufel und einen ominösen Auftraggeber. Mal im Zuschauersaal, mal mitten im Geschehen ist er perfekt in den Abend integriert und läuft zur Höchstform auf. Auf der Bühne stehen, spielen, tanzen, kämpfen, lieben und fressen neben dem Düsseldorfer-Ensemblemitglied Alexej Lochmann auch noch 14 weitere Performer*innen, die vornehmlich aus New York kommen. Die Bühne besteht aus einem zentralen geschlossenen roten Vorhang und einem heruntergekommenen Bühnenportal. Daneben lassen die Performer*innen immer wieder ein Mobiliar aus Requisiten auf- und wieder abtreten. Das quirlige und höchst energiegeladene Ensemble lässt so minütig starke Bilder entstehen und treibt sich selbst durch die verschiedensten künstlerischen Ausdrucksformen, wie Ballett, Stummfilm, Slapstick und Modern Dance. Getanzt wird zwar nicht das 1A-Ballett, aber mit größter aufrichtiger Anstrengung und einer Menge Schweiß. Besonders tiefgründig und mehr als reiner Klamauk mag der Abend auf den ersten Blick nicht gerade bieten: Sex-Orgien, blutiger Kannibalismus, eine auftretende mexikanische Mariachi-Band und eine Gruppe großer Pandabären. Aber hinter all dem steckt ein tieferer Sinn, eine Erkenntnis, die es auszugraben gilt. Doch das erfordert gewiss eine ungeheure Anstrengung.

Dieser Abend ist zweifelsohne eine Zumutung und schwankt immer wieder zwischen heilloser Überforderung und bester komödiantischer Unterhaltung. Ein Großteil des Publikums stürmt schon vor Beginn des zweiten Aktes flüchtend und verzweifelnd aus dem Theatersaal. Vornehmlich älteres Publikum versteht sich, für die das wohl ein wahrer Kulturschock gewesen sein muss. Doch wer am Ball bleibt und die nötige Konzentration und Auslastung aufbringen kann, wird mit bester Unterhaltung am Ende mit einem epischen und herzerwärmenden Adele-Finale belohnt. Langanhaltender Applaus, stehende Ovationen und Bravo-Rufe aus dem dezimierten Publikum. Doch die machen so einen Lärm als wäre der Saal noch voll wie zu Beginn. Großartig!

von Marvin

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