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Like me – Ist das peinlich oder geil?

03.12.2018

Der Zustand der Scham ist ein kognitiver Schock, der die höheren Funktionen deiner Gehirnrinde zum Entgleisen bringt. Dein Ich befindet sich in existenzieller Angst. Dein Nervensystem reduziert sich auf die simpelsten Muster: angreifen, verteidigen oder verstecken. Der älteste und primitivste Teil deines Gehirns, das sogenannte Reptilienhirn, übernimmt das Kommando. Ungünstigerweise entzieht sich dieser Teil deines Gehirns einer bewussten Kontrolle. Du befindest dich in einem extrem fehlregulierten Zustand. Du wirst rot, du schwitzt, dein Körper sackt zusammen, du brichst die Beziehungen zu deiner Umwelt ab, du verlierst deine geistigen Fähigkeiten, du bist verwirrt, du erstarrst. Schade!

Sich schämen oder peinlich berührt sein, wer kennt dieses Gefühl nicht! Jeder ist bestimmt schon mal beim heimlichen Furzen erwischt worden oder rot angelaufen. Like me (Sowohl "Mag mich" als auch "Wie ich") heißt der collagenartige Theaterabend, der sich genau mit diesen Themen beschäftigt. Uraufführung war am 18. September im Jungen Schauspiel der Münsterstraße 446. Das Stück richtet sich an Kinder und Jugendliche ab 10 Jahren und wurde von der Regisseurin Franziska Henschel gemeinsam mit dem Performancekünstler Veit Sprenger (Mitglied der freien Theatergruppe Showcase Beat Le Mot) und dem Ensemble des Jungen Schauspiels entwickelt. Herausgekommen ist eine rund einstündige Performance, die mit choreografischen, musikalischen und performativen Elementen spielt. 

Es sind Themen, die mit verschiedensten künstlerischen Mitteln in den Vordergrund gerückt werden, "die jeder und jede kennt und die in vielen Lebensbereichen eine Rolle spielen, egal wie alt man ist" (Programmheft).

Situationen, in denen wir uns schämen: Schweißflecken, Körperbehaarung, Beziehungen, Singen, Tanzen. Das Ensemble zoomt solche Szenen wortwörtlich heran und projiziert sie in einer Großbildfläche an die Wand. Und wo es um Scham geht, darf ihre Stunde 0 natürlich nicht fehlen: Eva und Adam wie sie nackt im Garten Eden unter einem Baum sitzen. Daneben Clown-Auftritte mit roten Perücken. Ein Theaterabend, der collagenartig Szenen aneinanderreiht und von Thema zu Thema springt.

Am Ende dann geht es um einen Beschimpfungs-Neutralisierungs-Wettbewerb: Die Zuschauerinnen und Zuschauer sollten vor Vorstellungsbeginn Schimpfwörter auf Zettel schreiben, die vom Schiedsrichter Eduard Lind vorgelesen werden. Die beiden Kandidatinnen sollen diese Schimpfwörter dann neutralisieren. Klingt erstmal nach einem guten Einfall. Die Zuschauer_innen sollen angeregt werden, sich über die Bedeutung und Zusammensetzung so eines Schimpfwortes Gedanken zu machen und es nicht in Gewalt, sondern in Konversation zu eliminieren und von sich wegzuschieben.

Nur leider sind die Neutralisierungen von Natalie Hanslik und Maria Perlick totaler Nonsens und heben die Wirkung fast vollends auf. Nur Bernhard Schmidt-Hackenberg rettet als Kommentator dieses Spielshow-Element, indem er genau diese Aufgabe übernimmt: Zum Schimpfwort "Schlampe" stellt er richtig fest, dass es sich um einen Beruf handelt. Die Antworten der Spielerinnen dagegen total beliebig und ganz und gar zusammenhangslos.

Diese Stückentwicklung scheint auch insgesamt nicht wirklich zielführend zu sein und man fragt sich als älterer Zuschauer schon, was von der Message eigentlich bei dem jüngsten Publikum eigentlich so ankommt. Viele Themen werden angesprochen und aneinandergereiht, manches erschließt sich einem auch nicht wirklich. Es ist ein gedankengeleiteter und sehr assoziativer Theaterabend, aus dem wohl jede_r etwas anderes mitnimmt. Nur der große künstlerische Wurf ist das sicher nicht!

von Marvin

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